Das Leben ist

DAS LEBEN IST

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Wie finde ich den Job, der zu mir passt?

von Uta Glaubitz, erschienen in der FAZ 

Wie findet man den richtigen Beruf? Indem man die Frage zunächst einmal ernst nimmt. Wer sich nur durchwurschteln oder die Vorlieben seiner Eltern bedienen will, ist im falschen Grundmodus. Machen Sie sich stattdessen klar: Seinen Beruf zu wählen ist eine der weitreichendsten Entscheidungen überhaupt -- und zwar eine, für die man ganz allein zuständig ist. Weder Eltern, noch wohlmeinende Freunde, noch Berufsberater oder die Agentur für Arbeit können einem diese Verantwortung abnehmen. Was man mit seinem Leben (beruflich) machen will, muss jeder und jede für sich entscheiden.

Die Berufswahl ist keine Frage der richtigen Erkenntnis, sondern der richtigen Entscheidung. Das Gegenteil davon ist nicht etwa eine schlechte Entscheidung, sondern eine Entscheidungsvermeidung, zum Beispiel indem man Notlösungen schafft, aus Verlegenheit BWL studiert oder im Betrieb der Eltern anfängt, weil man zu bequem ist, sich woanders zu bewerben.

Wenn man die Frage ernst genommen und Notlösungen grundsätzlich ausgeschlossen hat, beginnt die Selbstreflexion: Was motiviert mich, was ist mir wichtig im Leben, wofür stehe ich freiwillig früh morgens auf? Die Antworten darauf liefern erste Hinweise für Ihr Vorhaben. Denn der richtige Beruf ist ein Beruf, der etwas mit einem als Mensch, als Person zu tun hat. Wenn die emotionale Grundlage nicht stimmt, wird es mit dem Karrierebauen schwierig. Oder kann man sich vorstellen, dass ein Goldschmied, eine Modedesignerin, ein Fußballtrainer oder eine Kanzlerin erfolgreich ist, wenn er oder sie seine Sache nicht liebt? Was sonst sollte einen zu außergewöhnlichen Leistungen motivieren? Wofür sonst sollte man sich die Nächte um die Ohren schlagen?

Der Ausgangspunkt des Traumberufs sitzt also unter der Brust. Trotzdem spart man sich in der Berufsfindung alle Weltverbesserungsfantasien. Denn die Berufswahl ist nicht der richtige Ort, um sein Selbstwertgefühl zu erhöhen, indem man den Klimawandel aufhalten oder den Tibetkonflikt lösen will. Aber als Physiker irgendwann einen Nobelpreis bekommen oder als Mediziner an einem AIDS-Impfstoff forschen zu wollen ist als Ziel durchaus erlaubt.

Danach fragt man sich, was man früher einmal werden wollte. Früher, als die eigene Ja-Aber-Maschine noch nicht so leistungsstark war. Man fragt sich, was man tun würde, wenn man keine Angst hätte, wenn das Berufsteufelchen endlich die Klappe hielte oder wenn nichts schief gehen könnte. Man fragt sich, welche Berufe und welche Leute man schon immer toll fand. Denn auch das kann helfen, sich weiter an eine Entscheidung heranzutasten.

Man sieht: Berufsfindung ist Selbstreflexion, nicht etwa die Suche nach einer versteckten Wahrheit. Denn das würde ja bedeuten, dass eine höhere Macht irgendwo festgelegt hat, zu was wir berufen sind. Mit dieser quasireligiösen Vorstellung aber hat Martin Luther bereits vor 500 Jahren Schluss gemacht. Von Gott Berufene wie Priester oder Nonnen sollten nicht mehr per se wertvoller sein als die Berufe der Gemeindemitglieder, wie Schneider, Winzer oder Lebensmittelhändler. Der religiöse Anklang des Wortes „Beruf“ ist aber geblieben.

Zurück zum praktischen Vorgehen: Alle bislang gesammelten Anhaltspunkte für den richtigen Beruf schreibt man auf ein Blatt Papier. Dann veranstaltet man ein Brainstorming, entweder allein oder mit einem Unterstützerteam: Welche Berufe könnten dazu passen? Welche Berufe reflektieren das, was da steht? Dabei geht es nicht darum, einen Beruf zu finden, der in jedem Detail passt. Perfektionismus verbietet sich bei der Berufsfindung von selbst. Aber die Berufe sollten etwas zu tun haben mit den zuvor gesammelten Antworten auf Berufsfindungsfragen.

Hat man im Brainstorming dreißig Berufe gesammelt, beendet man die Runde. Man streicht Vorschläge raus, die überhaupt nicht in Frage kommen. Wenn dort also Tierärztin steht, man aber kein Blut sehen kann (und auch nicht weiß, wie man diese Schwäche überwinden soll), dann scheidet Tierärztin aus. Ähnliches gilt für Piloten mit schlechten Augen, Richter mit schlechten Noten oder Models mit kurzen Beinen.

Dann lässt man die Ergebnisse über Nacht liegen. Das Gehirn arbeitet sie im Schlaf noch einmal durch.

Am nächsten Tag holt man tief Luft und fragt sich: Was will ich mit meinem Leben beruflich machen? Man schreibt einen einfachen Satz als Antwort: „Ich werde Sportreporter“, „Ich werde Polizistin“, „Ich werde Kinderbuchillustratorin.“ Nicht etwa „Ich will etwas mit Menschen machen“, „Ich will etwas Sinnvolles tun“ oder „Ich könnte mir was mit Beraten vorstellen.“ Denn das sind nur Floskeln, die wenig mit Selbstreflexion zu tun haben.

Jetzt kommt es eigentlich nur noch darauf an, die einmal gefällte Entscheidung nicht alle 45 Minuten wieder in Frage zu stellen. Wer weiter auf den alles verändernden Erkenntnisblitz hofft, nimmt seine eigene Entscheidung gar nicht ernst. In der Berufsfindung aber geht es aber letztlich nur darum: sich für eine Sache zu entscheiden, nicht aus Verlegenheit oder Faulheit, sondern aus Überzeugung. So gesehen ist auch Berufsfindung der Ausgang aus einer selbstverschuldeten Unmündigkeit.