Teil 2: Kirche

 

Ist der Mensch zum Arbeiten gemacht?

Teil 2: Kirche

Ist der Mensch von Natur faul oder fleißig? Und wenn es einen Schöpfergott gibt, hat er uns denkend, spielend oder arbeitend gemacht? Gibt es einen Urzustand, in dem der Mensch im Einklang mit der Natur lebt und sich von dem ernährt, was sie ihm freiwillig gibt? Für die erste Folge von „Ist der Mensch zum Arbeiten gemacht?“ habe ich mit einem Evolutionsbiologen gesprochen. Für die zweite schaue ich in die Genesis und frage einen Mann der Kirche.

Nahe liegend beginne ich mit einem Protestanten. Schließlich singen wir im Kölner Karneval: „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin, die haben doch nix anderes als Arbeiten im Sinn.“ Vor etwa hundert Jahren formulierte es Max Weber soziologischer und konstatierte die „auffallend geringe Beteiligung der Katholiken am modernen Erwerbsleben in Deutschland.“ Der Protestantismus beflügle die Ansammlung von Geld, die Reinvestition von Gewinnen und damit die Industrialisierung und den Kapitalismus. Die Katholiken hingegen schickten ihre Kinder lieber aufs humanistische Gymnasium.

Aber beginnen wir mit der Schöpfung. Bereits der erste Satz klingt nach Arbeit: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Wenig später schuf er den Menschen nach seinem Abbild, was bedeutet, dass er ihn von Beginn an mit Überschuss und Schaffenskraft ausstattet. Umgehend beauftragt er den Menschen persönlich: Adam und Eva sollen den Garten Eden bewirtschaften.

Muss man im Paradies etwa arbeiten? Prälat Dr. Bernhard Felmberg ist Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Er arbeitet am Berliner Gendarmenmarkt: „Man muss nicht – man darf. Durch den Auftrag Gottes ist die Arbeit nicht lästige Pflicht, sondern Ehre. Wer ihr mit Liebe und Leidenschaft nachgeht, erweist Gott einen Dienst.“ Arbeit als Gottesdienst –  ich denke an meine Leserinnen und Leser bei Spiegel Online und den zu erwartenden Protest.

Allerdings wird es nach der Vertreibung aus dem Paradies anstrengender: Der Mensch soll nun im Schweiße seines Angesichts arbeiten. Nicht einmal gegen schwere Arbeit hat die Bibel etwas einzuwenden. Im Gegenteil: Nichts sei besser, als dass der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit. Auch beschwerliche Arbeit solle man nicht verachten, sie sei schließlich vom Höchsten gestiftet. „Nimm dir ein Beispiel an der fleißigen Ameise, du Fauler, und lerne von ihr“, rät Salomo bereits im Alten Testament arbeitsunwilligen Zeitgenossen. (Prediger 3,22; Sirach 7,16; Sprüche 6,6)

Sogar unsere Idee von Beruf ist ursprünglich religiös: Ein Mensch hat ein Berufungserlebnis und fühlt sich dazu bestimmt, Priester, Nonne oder Missionar zu werden – Tätigkeiten, die die Kirche lange höher wertete als alle anderen. Bis ein Augustinermönch kam und mit diesem Privileg Schluss machte: Martin Luther stellte die Arbeit des Priesters der jedes Gemeindemitglieds gleich. Damit war Winzer ein Beruf, ebenso wie Lehrerin, Bankkaufmann und Lebensmittelhändler.

Zurück zur Bibel: Am siebten Tag ruhte Gott. Er betrachtete seine Schöpfung und sah, dass es gut war. So führte Kaiser Konstantin bereits 321 nach Christi Geburt im Römischen Reich den dies solis ein. Damit war die erste gesetzliche Sonntagsruhe kein gewerkschaftlicher Erfolg, sondern ein Bekenntnis des Kaisers. Die Juden feierten am Sabbat, den Islam gab es noch nicht, und alle Christen sollten am Tag der Auferstehung die Heilige Messe feiern.

Für den Schutz des Sonntags gibt es heute ein bundesdeutsches Arbeitszeitgesetz. Die 1700 Jahre alte Tradition bietet Raum für Familie, Freunde und Geselligkeit. Zeit für sich und andere gehöre zum von Gott gewollten Dasein, so Felmberg. Sie sei außerdem gesund, auch jenseits aller religiösen Überlegungen. Nicht umsonst stünde in den Zehn Geboten, und damit an der bekanntesten Stelle des meist gelesenen Buchs der Welt: „Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag.“

Zum Schluss eine Begebenheit aus dem Neuen Testament. Jesus besucht Marta und ihre Schwester Maria. Marta beginnt sofort zu waschen, zu kochen und für den Besuch zu sorgen. Maria hingegen setzt sich zu Jesus’ Füßen und hört ihm zu. Als Marta aufbegehrt, bremst Jesus sie: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt.“

Ist Müßiggang am Ende doch besser als Arbeit? „Jesus wendet sich gegen die ständige Betriebsamkeit und das gottlose Rennen. Er sagt: Macht euch nicht verrückt. In jedem Arbeitsleben muss man auch innehalten und zuhören können.“ Am Ende, so Felmberg, spare das ja auch viel Arbeit. Wenn es einen Schöpfergott gibt, hat er uns also eher mit Arbeitslust als mit Arbeitswut ausgestattet.