Teil 5: Dann kamen die Manager

Ist der Mensch zum Arbeiten gemacht?

Teil 5: Dann kamen die Manager

Jahrtausendelang bedeutete Arbeit Viehzucht, Ackerbau, Bauen, Kochen, Schneidern und Handeln. Heute hat sich ein Überbau aus Management darüber gewölbt. Dort werden Ziele vereinbart und Prozesse aufgesetzt, dargestellt und evaluiert. Man entwickelt Teams, beziehungsweise man steuert Teambuildingprojekte und evaluiert Zielerreichungsprozesse. Die Evaluierung ist wieder ein Projekt, das einen Projektmanager braucht, so wie die Installierung eines guten Projektmanagements einen Facilitator. Man könnte die Sache weiter spinnen: Was ist mit einem Evaluationskompetenzentwickler oder einem Risikomanagementtrainer?

Natürlich gab es auch früher Ziele, die man eben ohne Kickoff-Workshop, Nachhaltigkeitsdialog oder Total Quality Management erreichte. Entscheidungen wurden nach Fachwissen und Berufserfahrung gefällt, nicht nach Managementtools oder Kennzahlen. Die Hoechst AG beispielsweise leiteten (unter verschiedenen Namen) seit der Gründung 1863 Chemiker. Mit großem Erfolg: Zeitweise war Hoechst das größte Pharmaunternehmen der Welt. Mit Jürgen Dormann kam 1994 erstmals ein Wirtschaftswissenschaftler an die Macht. Damit wurde die eigentliche Arbeit unter eine Art Meta-Arbeit gestellt. Das Gerüst des Konzerns waren nicht mehr Farben, Kunststoffe und Medikamente, sondern Renditeziele, Strukturveränderung und Matrixorganisation. Zu meiner eigenen Abiturzeit (1985) galt als ausgemacht: Nur, wer BWL studiert, hat beruflich eine Chance. Später kam der Hype um die MBA-Abschlüsse dazu.

Das sind meine Vorüberlegungen zur heutigen Folge von Ist der Mensch zum Arbeiten gemacht? Oder vielleicht eher zum Managen? Gibt es überhaupt noch Leute mit richtigen Berufen, oder sind wir längst alle Manager? Ich frage Dr. Christoph Bartmann, Direktor des Goethe-Instituts in New York. Sein Buch Leben im Büro sieht den Ausgangspunkt für den Glauben an die Segnungen des Managements im Zweiten Weltkrieg. Die Landung der alliierten Truppen in der Normandie hatte allen kriegsführenden Parteien die haushohe Überlegenheit der Amerikaner in Sachen Kriegsmanagement und Truppenlogistik demonstriert. Nach dem Sieg strömten die jungen Soldaten auf den Arbeitsmarkt und importierten ihre kriegserprobten Managementinstrumente in die Unternehmen.

Seitdem, so Bartmann, heißt Arbeit Projekt, und Projekt bedeutet Managen: „Es gibt nichts im Büro, was nicht Projekt sein könnte. Und wer Projekt sagt, der sagt auch Projektmanagement, Projektleitung, Projektfortschritt, ganz so, als sollte hier mindestens ein weiterer Tunnel unter dem Ärmelkanal gegraben werden.“ In erster Linie werde nicht mehr gearbeitet, sondern über Arbeit geredet. Damit könne man glücklicherweise nicht viel falsch machen. Denn niemand würde Sätzen widersprechen wie „Das hätte längst evaluiert werden müssen“ oder „Die Tools müssen überhaupt erstmal richtig implementiert werden.“ Wir fühlen uns verpflichtet, an Sätze zu glauben wie „Wir müssen uns strategisch entschiedener positionieren, sonst ist unsere Visibilität gefährdet“ oder „Wir brauchen ein neues Prozessmanagement für unsere Managementprozesse.“ Man kann das Betriebswirtschaft nennen. Bartmann nennt es Ideologie.

Sprachhistorisch betrachtet sind Manager Leute, die Dinge nicht selber tun, sondern von einer überlegenen Warte aus das reibungslose Funktionieren komplexer Prozesse sicherstellen, nicht zuletzt durch Kommunikation. Dadurch bekommt das Präsentieren, Darstellen und vor allem das Sich-Selbst-Darstellen einen ganz neuen Wert, so Bartmann. Man präsentiert Powerpointfolien (nicht ohne darauf hinzuweisen, wie megaout Powerpointpräsentationen eigentlich sind), geht zum Rhetorikkurs und zum Erfolgscoach, gerade so, als könne man sich durch Präsentationsskills und Sozialkompetenz das Fachwissen sparen.