Ein Portrait von Uta Glaubitz

Aufräumen im Kopf

aus: Süddeutsche Zeitung, 17. Dezember 2002

Die Berlinerin Uta Glaubitz nennt sich Berufsfinderin. Ihre Klienten fragt sie nicht nach Noten, sondern nach Neigungen.

Als Kind wollte sie Sängerin werden. Oder Journalistin. Heute ist Uta Glaubitz Berufsfinderin. In gewisser Weise ist die 36-jährige Berlinerin ihren Kinderträumen treu geblieben: Sie interviewt ihre Klienten zu deren beruflichen Wünschen und verhilft ihnen durch genaues Nachfragen zu Klarheit. Sie schreibt Bücher über Quasselstrippen, Globetrotter, Nachtschwärmer oder Sportfreaks. Und manchmal steht sie sogar auf einer Bühne – wenn sie Vorträge darüber hält, wie man herausfinden kann, was beruflich wirklich zu einem passt.

Ihre Methode ist dabei so unkonventionell wie simpel. Wenn Klienten zu ihr kommen, fragt sie nicht nach Abschluss oder Zeugnis. Sie interessiert, in welcher Situation die Ratsuchenden richtig stolz auf sich waren. Dabei kommen manchmal – auch für die Klienten – ganz erstaunliche Wünsche ans Tageslicht. „Das Problem ist nämlich, dass Kinder von Ärzten Ärzte werden. Und Kinder von Lehrern Lehrer. Dabei liegen die Fähigkeiten oft in ganz anderen Bereichen", so Glaubitz.

Aus diesem Grund betreibt sie mit ihren Klienten angeleitete Selbstreflexion. Das geht zuweilen ans Eingemachte: In ihren Einzel- oder Gruppenseminaren wird geweint und gelacht. Denn meist stehen sich die Ratsuchenden selbst im Weg. Sie scheitern daran, den geeigneten Beruf zu finden, da sie noch immer versuchen, den Wünschen und Vorstellungen ihrer Eltern gerecht zu werden. Viele hätten derart verfestigte Denkblockaden, dass sie gar nicht mehr wüssten, wo es lang gehe, so Glaubitz. „Mein Job ist es dann, mir das Chaos anzuschauen, aufzuräumen, zu analysieren und nach einem langen Gespräch eine Entscheidung herbeizuführen." Etwas, was ihrer Meinung nach die beste Freundin, Verwandte oder Eltern nicht leisten könnten, „denn da gibt es immer eigene Erwartungen".

Ihr Konzept ist am eigenen Leib erprobt und entstand während eines Kneipenbesuchs. Mit ihrer Freundin, der Krimiautorin Thea Dorn, grübelte die studierte Philosophin, was sie beruflich machen könnte, denn in ihrem Job in einem Verlag war sie nicht glücklich. Da kam ihr die Idee, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie analysierte den Bücher- und Beratungsmarkt und fand heraus, dass es noch nicht viel zum Thema Berufsfindung gab. Eine Marktlücke. Heute, sechs Jahre später, hat die Frau mit dem flotten Mundwerk nicht nur das Standardwerk „Der Job, der zu mir passt" sowie sieben Bücher mit Titeln wie „Jobs für Bücherwürmer und Leseratten" oder „Jobs für Kommunikationstalente und Quasselstrippen" hingelegt.

Für das Einzel-Coaching ihrer Klienten nimmt sich die Job-Trainerin bis zu fünf Stunden Zeit. Die Gruppenseminare dauern anderthalb Tage. Dort versucht sie „Hinweisschilder" zu finden, die auf verschütt gegangene Interessen – zuweilen auch aus Kindertagen – hinweisen. Eine Kundin von ihr begeisterte sich zum Beispiel be­reits als 14-Jährige für den Beruf des Kapitäns, wurde aber auf Wunsch der Eltern erst einmal Krankenschwester. Mit 35 Jahren sattelte sie schließlich um, studierte Nautik und fährt seitdem Frachter.

Das klingt, als wolle sie Unmögliches möglich machen. Aber für Uta Glaubitz ist einfach selbstbestimmtes Handeln die Lösung des Problems: „Es ist wichtig, zu lernen, dass man sein Leben selbst in der Hand hat und die Verantwortung nicht immer an die Eltern oder andere abgeben kann." Dass man selbst seinen augenblicklichen Traumberuf nicht unbedingt sein Leben lang ausüben muss, hat eine ehemalige Klientin vorgemacht. Sie arbeitete als Psychologin im Bereich Betreutes Wohnen und wurde dann Gag-Schreiberin bei Entertainer Harald Schmidt. Da man diesen Job nicht auf Dauer ausüben kann, sattelte sie nochmals um: Heute ist sie Geschäftsführerin einer Weiterbildungsagentur.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Berufsberaterin passen muss. „Wenn das Problem auf einer anderen Ebene liegt, meine Klienten zum Beispiel noch unter der Fuchtel ihrer Eltern stehen oder wenn sie sich noch nicht mal trauen, irgendwo anzurufen, dann müssen sie sich woanders professionelle Hilfe suchen."

Sie selbst kann sich vorstellen, ihren Job noch eine ganze Weile zu machen. Aber auch Berufsfinderinnen haben noch Träume: „Wenn eine Fee zu mir käme, würde ich mir wünschen, an einer der drei Frauenuniversitäten in Seoul Career Management zu unterrichten", sagt Glaubitz. Aber vorher wird erst noch mal ein Buch geschrieben.