Endlich Zeit

Endlich Zeit

Aus dem sicheren Leben ausbrechen, ins Risiko gehen, Widerstände überwinden. Geschichten von Menschen, die einen NEUSTART gewagt und ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben haben.

Claudia Metze (43)

Von der Zahnarzthelferin zur Café-Besitzerin

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Ein normaler Arbeitstag beginnt für Claudia Metze so: Sie radelt zum Supermarkt, kauft frische Erdbeeren, Sahne. Eier. Speck, fährt in ihr kleines Kiez-Cafe in Berlin, backt eine herzhafte Quiche für den Mittagstisch. Während die ersten Stammkunden ihr morgendliches Käffchen trinken und Zeitung lesen, bereitet sie die nächsten Leckereien vor. Drei bis vier Kuchen backt sie am Tag. Zwei Studentinnen helfen aus, aber im Prinzip ist das Café ihr Baby, und sie ist fast täglich dort.

Mitten im Café steht der Ofen, in dem ihre duftenden Obstkuchen oder Tartes zart bräunen. „Ohh“ und „Ahh“ raunen viele Gäste, sobald sie den Laden betreten.

„Ein eigenes Café, das war schon immer mein Wunsch. Aber ich hatte ja einen Beruf, der mir Spaß machte“, sagt Claudia Metze. Als Zahnarzthelferin managte sie fast 25 Jahre lang eine Praxis, kümmerte sich um Buchhaltung, Termine und Personal. Als ihr Chef die Praxis im Sommer 2011 dichtmachte, war das die Gelegenheit: ..Klar, ich hätte ohne Probleme wieder einen Job gefunden. Aber ich dachte mir: Wenn du es jetzt nicht machst, machst du es nie!“

Der Anfang war schwer, lange suchte sie nach einem geeigneten Laden. Um das Cafe von der Vorgängerin zu übernehmen, musste sie Geld aus ihrem Bausparvertrag und der Altersvorsorge investieren. Ihre Freizeit hat sich inzwischen auf ein Minimum reduziert, irgendwas ist immer zu tun. Das geht, weil sie keine Kinder hat und weil ihr Freund sie unterstützt. Aber sie liebt ihr neues Leben: „Am schönsten ist nicht unbedingt, dass ich mein eigener Chef bin. Für mich ist am wichtigsten, meine Kreativität auszuleben. Zu improvisieren, wenn der Kuchen alle ist. Rezepte neu kombinieren. Das ist toll!"

Dagmar Stratenschulte (58)

Von der Officemanagerin zur Fotografin

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Gleich ihre erste Bewerbung für einen Ausbildungsplatz bei einem Fotografen war erfolgreich – obwohl Dagmar Stratenschulte da schon 45 Jahre alt war. ln die Freude mischten sich Bedenken: Wie verkraften die Kinder das? Habe ich noch genug Zeit für sie, trotz Berufsschule und 40-Stunden-Woche? Ihre Töchter waren 11 und 14 Jahre alt. Dagmar Stratenschulte organisierte den Haushalt um: Schob morgens einen Römertopf in den Ofen, sodass ihre Mädchen nur noch einen Knopf drücken mussten, damit am Abend das Essen auf dem Tisch stand. Am Nachmittag versuchte ihr Mann, zwei Stunden zu Hause zu sein. Und wenn Dagmar Stratenschulte am Abend heimkam, blieb das Handy aus, bis die Töchter im Bett waren.

Nach der Geburt der Kinder hatte die Berlinerin zunächst noch Teilzeit in ihrem Beruf als Of?cemanagerin für soziale Einrichtungen gearbeitet. Irgendwann wurde alles zu viel. Sie schmiss den Job hin, widmete sich der Familie - und ihrem Hobby, der Fotogra?e. Sie besuchte Seminare, knipste in der Freizeit. Als die Kinder älter waren, begann sie, ihr Leben auf den Prüfstand zu stellen: Was will ich eigentlich? Ein Berufsberatungsseminar gab ihr den Mut zum Neuanfang. 2003 machte Dagmar Stratenschulte sich selbstständig.

Inzwischen leben sie und ihr Mann getrennt, die Töchter sind aus dem Haus, ein Teil der Wohnung wurde zum Fotostudio umfunktioniert. Stratenschulte fotograf?ert vor allem Porträts, Hochzeiten und Veranstaltungen – ein Job mit Höhen und Tiefen, sagt sie. „Aber ich bereue nichts!“