Generation Praktikum Interview

Generation Praktikum Interview

aus: Rheinische Post, 24. Januar 2007

Sie ist Deutschlands bekannteste Berufsfindungsberaterin und Autorin des Ratgebers "Generation Praktikum". Uta Glaubitz warnt vor Praktika um des Praktikums willen. Und: Lehrer und Eltern sollten sich nicht übermäßig in die Berufswahl einmischen.

Die Fragen stellte Ulli Tückmantel.

Geldern. Uta Glaubitz wollte eigentlich mal Rocksängerin oder Journalistin werden. Stattdessen berät die Wahlberlinerin heute als Deutschlands bekannteste und erfolgreichste "Berufsfindungsberaterin" Menschen, die nicht wissen, was sie werden sollen – oder sich nicht trauen, einen ungeliebten Job zu verlassen und endlich einen Beruf zu ergreifen, der zu ihnen passt.

Im vergangenen Jahr ist Ihr Buch "Generation Praktikum" erschienen. Kernthema: Wie man sein individuelles Berufsziel erarbeitet und es durch das passende Praktikum auch erreichen kann. Viele Schülerpraktikanten haben noch nie einen Betrieb von innen gesehen. Was sollte ich wissen, bevor es los geht?

UTA GLAUBITZ. Ein Schülerpraktikum dient dazu, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen, zum Beispiel für eine Lehrstelle. Also sollte man sich vorher für einen Beruf entscheiden: Ich werde Goldschmiedin, ich werde Kfz-Mechaniker, ich werde Hotelkaufmann, ich werde Tauchlehrerin. Außerdem sollte man festlegen, was genau man im Praktikum lernen will. Am besten auf einem Spickzettel, zum Beispiel "Ich will den Umgang mit Kunden lernen" oder "Ich will lernen, welche Abteilungen es im Hotel gibt".

Ihr Buch enthält einen Knigge für Praktikanten. Was sind die gröbsten Fehler, die ich am ersten Tag machen kann?

UTA GLAUBITZ. Keine Ahnung zu haben ist immer blöd. Sie sollten schon wissen, was in dem Laden vor sich geht: Was sind die wichtigsten Produkte oder Dienstleistungen? Wie viele Leute arbeiten da? Was sind die größten Erfolge und Misserfolge der letzten Zeit? Was für Kunden hat das Unternehmen und wie sind die Preise?

Ansonsten gelten auch im Praktikum die Regeln des menschlichen Miteinanders: Guten Tag, Auf Wiedersehen, Danke, Bitte und Entschuldigung sind Zeichen für Respekt. Kriegen Sie Ihre Zähne auseinander und verbreiten Sie eine lebensbejahende und optimistische Stimmung. Wenn Sie das nicht können, helfen Benimm- und Kommunikationskurse.

Wie könnten Lehrer oder Eltern bei der Vorbereitung helfen?

UTA GLAUBITZ. Lehrer und Eltern sollten sich nicht übermäßig in die Berufswahl einmischen, weil sie oft eigene Wünsche auf die Schüler und Schülerinnen projizieren. Trotzdem wäre es hilfreich, immer wieder darauf hinzuweisen, dass ein Praktikum Teil eines Plans sein muss. Ausgangspunkt ist die aktuelle Situation. Ziel ist das, was man werden will. Lehrer und Eltern sollten mit ihren Schützlingen diskutieren, wie das Praktikum helfen kann, dieses Ziel zu erreichen.

Gibt es eine goldene Regel, wie ich die Balance zwischen zu viel und zu wenig fragen finde?

UTA GLAUBITZ. So viel fragen, dass man keinen Bockmist baut. Aber nicht fragen um des Fragens willen. Also immer erstmal nachdenken, ob man nicht selbst auf die Antwort kommt. Dann merkt der Gefragte auch sofort, sofort, dass Sie sich anstrengen und es ernst meinen. Das ist bei Schülern nicht immer der Fall.

Ist Kaffeekochen ein Verstoß gegen die Praktikanten-Würde?

UTA GLAUBITZ. Ausnahmsweise muss jeder mal Kaffee kochen, auch der Chef. Wenn Sie aber dauernd in der Küche stehen, kopieren und Koffer tragen, ist das kein Praktikum, sondern ein Aushilfsjob. Gehen Sie zum Chef und schlagen Sie drei Aufgaben vor, die Sie übernehmen möchten.

Was mache ich als Schüler eigentlich, wenn sich an meinem Praktikumsplatz niemand richtig mit mir beschäftigt?

UTA GLAUBITZ. Schauen Sie auf Ihren Spickzettel: Was wollten Sie noch mal in Ihrem Praktikum lernen? Dann fragen Sie sich, wie Sie das lernen könnten. Machen Sie Ihrer Chefin einen Vorschlag: "Ich möchte lernen, wie die Bücher vom Verlag in die Buchhandlung kommen. Morgen kommt der Vertreter des Soundsoverlags. Darf ich bei dem Gespräch dabei sein? Ich könnte die Ergebnisse auch protokollieren, wenn jemand daran Interesse hat."

Was sollte ich – egal in welchem Berufsfeld – aus einem zweiwöchigen Schüler-Praktikum am Ende auf jeden Fall mitnehmen?

UTA GLAUBITZ. Ihr Praktikum hat eine Mission. Sie wollen etwas lernen und sich empfehlen. Nach zwei Wochen sollten Sie dieses Lernziel erreicht haben und sich für höhere Aufgaben empfohlen haben. Bitten Sie Ihren Chef, Ihre Chefin um ein fünfminütiges Abschlussgespräch. Sagen Sie: "Vielen Dank, dass ich mein Praktikum hier machen durfte. Gibt es einen Tipp, den Sie mir mit auf den Weg geben könnten?"

Gibt es aus Ihrer Sicht Berufe, in denen ein Schülerpraktikum gar keinen Sinn hat?

UTA GLAUBITZ. Rockstar, Stürmer beim 1. FC Köln, Zahnärztin. Für Rockstar sollte man lieber eine Band gründen. Köln braucht eine Abwehr und keinen neuen Sturm. Und für Zahnärztin sollte man sich auf ein möglichst gutes Abitur konzentrieren.

Ab wie vielen Praktika wirkt die Aufzählung in einer Bewerbung eher orientierungslos als nützlich?

UTA GLAUBITZ. Am besten, man legt erst einmal fest, was man werden will. Dann kann man alle Praktika in diesem Bereich machen und keins davon ist zu viel. Wenn man aber mal hier und mal da ein Praktikum macht, dann sind drei schon zu viel.

Haben Sie selbst mal ein Praktikum richtig versemmelt?

UTA GLAUBITZ. Ich habe ein Praktikum bei der FAZ gemacht und eins beim Institut der deutschen Wirtschaft. Ich habe beide versemmelt, weil ich nicht wusste, was ich da will und was ich da soll. Aus Berufsberaterinnensicht ist das so ziemlich das Dümmste, was man machen kann: seine Zeit verplempern und das noch mit der Entschuldigung, ein Praktikum würde sich ja immer gut im Lebenslauf machen. Ich hoffe, ich bin heute einen Schritt weiter.