Gut gemeint ist nicht automatisch gut

Gut gemeint ist nicht automatisch gut

aus: Einstieg, Messeheft, Februar 2004

Guter Rat muss nicht teuer sein. Schließlich geben Eltern, Großtanten, Lehrer und andere Hobbyberufsberater oft und reichlich davon. Meistens ungefragt. Zum Beispiel: „Eine Banklehre ist die beste Grundlage". Oder „Mit Jura wird man immer was". Bleibt die Frage: Aber was? Haben Sie schon mal einen Jura-Studenten getroffen, der eine klare Vorstellung davon hatte, was er mit seinem Studium anfangen will? Fast alle werden auf Nachfrage versichern, dass man mit Jura alles machen könne. Doch was hinter diesem „alles" steckt, weiß niemand.

Schauen wir uns einmal an, wer einen interessanten Beruf hat, zum Beispiel beim Fernsehen. Hier finden sich tatsächlich einige ehemalige Jura-Studenten: Stefan Raab etwa, oder Günther Jauch, oder der legendäre Fußballreporter und TV-Sportchef Werner Hansch. Aber – und jetzt halten Sie sich fest – alles abgebrochene Jura-Studenten! Das heißt: Die Herren hatten wohl den Eindruck, dass ihnen das Jurastudium bei ihrer Karriere eher im Wege steht als hilft. Sabine Christiansen übrigens war früher Stewardess und hat sich das Jurastudium gleich gespart.

Werfen wir einen Blick auf den zweiten Favoriten unter den gut gemeinten Ratschlägen: „Eine Banklehre ist die beste Grundlage!" Auch hier bleibt die Frage: Wofür eigentlich könnte ausgerechnet eine Lehre bei der Kreissparkasse Fulda eine gute Grundlage sein? Messerscharf kombiniert: Für eine Karriere in der Bank! Zum Beispiel als Anlageberater, Bankdirektor oder Investmentbanker. Versicherungsvertreter, Buchhalter und Steuerberater kämen sicher auch in Frage. Wenn das also Ihre Ziele sind, dann ist die Banklehre ein wirklich guter Anfang.

Was aber, wenn Sie viel lieber Sportreporter, Entwicklungshelferin, Eventmanager, Filmregisseurin, Schmuckdesignerin oder Kinderbuchautor werden wollen? Wie soll eine Banklehre da helfen? Und noch nicht einmal sicher ist der Job! In den letzten Jahren sind zigtausende von Bankern entlassen worden, mit deren Know-how über Kontoführungsgebühren und Wechselkurse niemand etwas anfangen kann.

Wie also vorgehen gegen die gut gemeinten Ratschläge? Der allererste wichtigste Schritt: Sie müssen Ihre eigene Entscheidung treffen! Wenn Sie sich gleichzeitig fast alles und fast nichts vorstellen können, beginnen Sie so: Schreiben Sie fünf Sachen auf, die sie gut können, und fünf Sachen, die Sie gerne machen. Zusätzlich sammeln Sie auf einem Blatt alle Berufe, die für Sie interessant klingen. Auch Wünsche aus Ihrer Kindheit gehören dazu. Und dann schauen Sie sich das alles einmal ganz genau an. Welche Berufe lassen sich aus den unterschiedlichen Teilen zusammensetzen? Auf diese Weise können Sie Ihre ersten eigenen Berufsideen entwickeln. Wenn Bankdirektor darunter ist, liegt eine Banklehre nahe. Wenn Sie Richterin oder Staatsanwältin werden wollen, überlegen Sie Jura zu studieren. Aber bitte nur dann.

Viel Erfolg und Spaß an der Arbeit wünscht Ihnen
Uta Glaubitz