Ich wollte Rockstar werden

Ich wollte Rockstar werden

aus: Berliner Szenemagazin Zitty, April 2003

Viele Menschen sind unglücklich in ihrem Job. Die Berufsfinderin Uta Glaubitz verhilft ihnen zum Traumjob.

Interview: Katja Winckler

Uta Glaubitz, 36, arbeitet seit sechs Jahren als Berufsfinderin. Nach ihrem Philosophiestudium war die Berlinerin Projektleiterin in einem Verlag. Nach ihren eigenen Angaben die schlimmste Zeit ihres Lebens. Sie machte aus der Not eine Tugend: Bei einem Kneipenbesuch mit ihrer Freundin, der Krimiautorin Thea Dorn, entstand die Idee, Berufsfindungskurse zu geben. Neben dem Standardwerk Der Job, der zu mir passt hat sie sieben Ratgeberbücher wie Jobs für Leseratten und Bücherwürmer oder Jobs für Beratertypen im Campus-Verlag vorgelegt.

Frau Glaubitz, was wollten Sie als Kind werden?

Eigentlich Rockstar. Aber wenn meine Eltern – beide Juristen – mich fragten, habe ich lieber Journalistin gesagt, damit's keinen Streit gab.

Heute befragen Sie Ihre Klienten nach ihren beruflichen Wünschen. Sie schreiben Bücher. Und manchmal halten Sie Vorträge. Warum nicht gleich so?

Ich war Opfer der Gerüchteküche. Diese Gerüchte bestehen aus etwa 125 Sätzen wie „Das ist doch kein richtiger Beruf", „Damit kann man kein Geld verdienen", „Das wollen doch heute alle" und so weiter. Als junger Mensch lässt man sich schnell von so was beeindrucken.

Warum sind so viele Menschen unglücklich mit ihrem Job und worin äußert sich das?

Viele haben sich gar nicht absichtlich für einen Beruf entschieden. Entweder sie machen das, was die Eltern machen, oder das, was die Eltern gut finden: Lehrer, Krankenschwester, Beamter beim Finanzamt. Oder sie sind irgendwo reingerutscht: in eine PR-Agentur, eine Internetfirma oder Versicherung. Die meisten sind bei der Auswahl ihres Friseurs pingeliger als bei der Berufswahl. Das rächt sich natürlich nach ein paar Jahren, und die Leute kriegen samstags schon Bauchschmerzen, weil sie montags wieder ins Büro müssen.

Warum landen eigentlich so viele Menschen im falschen Job?

Weil sie ebenfalls Opfer der Gerüchteküche werden. Weil sie dem Arbeitsamt vertrauen. Weil sie ihre Ja-aber-Freunde nicht rechtzeitig zum Mond schießen.

Wie finden Sie heraus, was Ihre Klienten eigentlich wirklich wollen?

Indem ich sie frage, was ihnen wichtig ist, was ihnen Spaß macht, was sie motiviert. Kein Test, keine Psychotricks. Als Anfänger kann man es auch mit der Frage versuchen: „Stell dir vor, die Berufsfee kommt zu dir und gibt dir einen Wunsch frei. Was wünschst du dir?" Die meisten antworten dann natürlich „Keine Ahnung"/a>. Aber das kann man der Fee ja schlecht sagen.

Wenn eine Lösung in Sicht ist, wie geht's dann konkret weiter?

Wir überlegen, wie man erste Schritte einleiten kann, um das Ziel zu erreichen. Also, wenn ich Kinderbuchautor werden will, muss ich erst mal ein Kinderbuch schreiben. Aber ich muss mich auch nach Verlagen umschauen, ganz viele andere Kinderbücher lesen und zur Buchmesse fahren.

Wie viele Ihrer Klienten wechseln den Job?

Von vier Leuten geht einer los und verändert innerhalb kurzer Zeit sein Leben, schmeißt beispielsweise sein Germanistik-, Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudium und fängt an, Drehbücher für Soap-Operas zu schreiben. Einer geht nach Hause, setzt sich aufs Sofa und entwickelt mehrere Dutzend Gründe, warum das niemals klappen kann. Der Rest legt sich eine „Zwei Schritte vor, einer zurück"-Taktik zu.

Bitte ein paar Erfolgsfallbeispiele aus Ihrer Klientenkartei.

Eine Krankenschwester, die heute Kapitänin ist, ein Molekularbiologe, der Winzer wurde, eine Buchhalterin, die mit 45 Jahren noch eine Ausbildung zur Fotografin angefangen hat, ein Kfz-Mechaniker, der zum Personensuchdienst einer großen Wohltätigkeitsorganisation gegangen ist.

Das klingt ja fast wie Zauberei...

Nein, das ist selbstbestimmtes Handeln. Es ist wichtig, zu lernen, dass man sein Leben selbst in der Hand hat und die Verantwortung nicht immer an die Eltern oder das Arbeitsamt abgeben kann.

Gibt es auch Fälle, in denen Sie nicht helfen können?

Bei Leuten, die auf dem Dorf wohnen und etwas machen wollen, das es nur in der Stadt gibt, die aber auf gar keinen Fall umziehen wollen. Das gibt es häufiger, als man denkt.

Haben Sie selbst auch noch Wünsche für die Zukunft?

In einer Rockband singen, ein paar Jahre an einer der Universitäten von Seoul Berufsfindung unterrichten. Und dass der 1. FC Köln nach dem Aufstieg Meister wird.