Man muss sich seine Chance erarbeiten

Man muss sich seine Chance erarbeiten

aus: Berliner Tagesspiegel, 12. Januar 2003

„Die komplizierteste Sache ist immer die, die keinen Spaß macht," sagt Uta Glaubitz (36). Deshalb hilft sie Berufssuchenden und Wechselwilligen beim Aufspüren eines Arbeitsplatzes, der ihren individuellen Talenten und Neigungen Rechnung trägt. Mit ihrer Berufsfindungsberatung hat die Berlinerin vor sechs Jahren eine in Deutschland neue Dienstleistung aus der Taufe gehoben. Ihr Buch „Der Job, der zu mir passt“ gilt mittlerweile als Standardwerk.

Frau Glaubitz, die einen sprechen von große Krise auf dem Arbeitsmarkt. Andere reden von Jammern auf hohem Niveau. Wer hat Recht?

Natürlich sind die Zahlen vom Arbeitsmarkt alles andere als ermutigend. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass zehn Prozent Arbeitslosigkeit auch bedeutet, dass 90 Prozent arbeiten. Wir sind weit entfernt von etwas, das man Massenarbeitslosigkeit nennen könnte.

Was bedeutet das für den Einzelnen?

Zunächst einmal bedeutet es, dass das subjektive Empfinden des einzelnen meistens viel schlechter ist als seine tatsächlichen Chancen.

Alles eine Frage der Sichtweise also?

Es gibt einen Unterschied zwischen der allgemeinen Lage und den Chancen des Einzelnen. Zum Vergleich: Wenn es vielen Pommesbuden schlecht geht, kann es einer einzelnen auch besonders gut gehen, zum Beispiel weil die Sauce extrem lecker ist. Oder vielleicht sogar, weil an den anderen Pommesbuden nicht so eine tolle Atmosphäre ist. Allgemein gesagt: Chancen sind nicht von Natur aus "da" oder "nicht da": Man muss sich seine Chancen erarbeiten.

Was schlagen Sie vor?

Für gute wie für schlechte Zeiten gilt: Suchen Sie auf keinen Fall nach einem Job, bevor Sie einwandfrei geklärt haben, was Sie wollen. Gerade wenn viele Bewerber auf den Arbeitsmarkt drängen, suchen sich Arbeitgeber die Motiviertesten aus.

„Zeigen Sie Leistungsmotivation bei Ihrer Bewerbung" – das ist nicht gerade ein neuer Hinweis.

Die meisten Leute schauen sich Stellenanzeigen an und überlegen dann, warum sie dafür motiviert sein könnten. Das ist viel zu passiv. Bevor ich die erste Zeitung kaufe, um dort nach Stellenangeboten zu schauen, muss ich wissen, was genau ich machen möchte und welche meiner Fähigkeiten ich genau zu diesem Zweck einsetzen will.

Und wie findet ein durchschnittlich verwirrter Berufssuchender heraus, was er wirklich möchte?

Fragen Sie sich, was Sie motiviert; was Ihnen Spaß macht und was Ihnen wirklich wichtig ist. Das sind erste Hinweisschilder. Der richtige Beruf ist der, für den man freiwillig früh morgens aufstehen würde.

Und wie findet man so einen Beruf dann auf einem völlig überfüllten Arbeitsmarkt?

Zuerst muss ich mir den neuen Tätigkeitsbereich erschließen. Also: Wer Eventmanagerin werden möchte, sollte sich erst einmal nach Eventagenturen umsehen, sich Informationen besorgen, etwa über Angebot, Kunden, Erfolge und Misserfolge, Fachbücher über Eventmarketing lesen und eine Fachmesse besuchen. Und natürlich: viele Events anschauen und immer wieder überlegen, was man besser machen könnte. Das sind erste Schritte.

Und Sie meinen, so findet man einen Job?

Egal in welcher Branche: Gute Jobs gibt es über Informationen und Kontakte. Wenn Sie gut informiert sind, können Sie – beispielsweise auf einer Messe – Ihren zukünftigen Arbeitgeber in ein interessantes Gespräch über die neuesten Trends in der Branche verwickeln: Das ist eine strategisch viel günstigere Ausgangsposition als sich vorzustellen mit „Ich habe bisher als Bankkauffrau gearbeitet, würde aber lieber in die Eventbranche. Haben Sie nicht einen Job für mich?“

Aber ein Gespräch macht noch keinen Job. Wie kann ich mich weiter profilieren?

Vielleicht wechseln Sie für einen Augenblick die Perspektive. Stellen Sie sich vor, Sie hätten in fünf Jahren einen kleinen Verlag aufgebaut und suchen nun einen Assistenten. Wen würden Sie einstellen? Wie müsste Ihr Traumkandidat aussehen? Wenn Sie nun denken „der müsste sympathisch, motiviert, offen und kommunikativ sein“, dann haben Sie schon gute Anhaltspunkte, was Arbeitgeber suchen und brauchen.

Ihr persönlicher Tipp für Berufssuchende?

Die meisten Leute scheitern eher an ihrem Umfeld als am Arbeitsmarkt, wie gut oder schlecht der auch gerade ist. Hören Sie also nicht auf Ihren nörgeligen Ehemann und schießen Sie Ihre Ja-aber-Freundinnen zum Mond.

Wer könnte denn ein guter Ratgeber sein?

Als Faustregel gilt: Fragen Sie auf keinen Fall Leute, die selbst unzufrieden sind. Fragen Sie Leute, die ihren Beruf lieben. Oder Sie hören zur Abwechslung mal auf Ihr Herz. Auch das kann ein guter Ratgeber sein.

Das Gespräch führte Christine Schreiber.