Schieß deine Ja-Aber-Freunde auf den Mond!

Schieß Deine Ja-Aber-Freunde auf den Mond!

aus: Zeitschrift Arbeitsmarkt, 12. Januar 2006

Uta Glaubitz berät Leute, die nicht wissen, was sie werden sollen. Sie hält ihre Kunden und Kundinnen so lange fest, bis sie ein Ziel haben und einen Plan dorthin. Außerdem schreibt sie Bücher, unter anderem den Bestseller „Der Job, der zu mir passt“.

Frau Glaubitz, Sie haben als erfolgreiche Buchautorin schon manchem Geisteswissenschaftler auf die Sprünge geholfen, einen Beruf nach Maß und auch nach Lust und Laune zu finden. Brauchen Geisteswissenschaftler da besonders viel Nachhilfe?

Uta Glaubitz: Studenten brauchen generell besonders viel Nachhilfe in Sachen Berufsfindung. Denn nach einigen Jahren an der Uni sind viele passiv und ideenlos geworden. Außerdem hören sie seit der Einführungsveranstaltung, dass sie sowieso arbeitslos würden.

Gibt es bestimmte Prototypen oder wiederkehrende Reaktionsmuster, die man als typisch für Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt ausmachen könnte?

Bevor der geisteswissenschaftliche Prototyp Gedanken an seine Berufswahl verschwendet, macht er erstmal seinen nächsten Schein. Dann wechselt er das Fach. Dann macht er erstmal Zwischenprüfung. Dann schreibt er seine Magisterarbeit. Dann muss er erstmal Geld verdienen. Und irgendwann ist er oder sie 35 und weiß immer noch nicht, wo es beruflich hingehen soll.

Viele Akademiker stehen sich selbst im Weg, um zu ihrem Traumjob zu gelangen. Oft sind es die kaum erfüllbaren Ansprüche an wissenschaftliches Arbeiten, die einem erfüllten Arbeitsleben im Weg stehen. Gibt es da eine akademische Zauderlichkeit?

Viele Geisteswissenschaftler halten nur die wissenschaftliche Arbeit an der Uni für einen echten Gutmenschenjob. Berufe, die irgendwas mit Wirtschaft zu tun haben, werden dagegen eher als minderwertig angesehen. Das ist natürlich Quatsch, zumal die in der Wirtschaft ja wirtschaften müssen, damit die an der Uni ihr Gehalt bekommen. Ich glaube, man sollte beruflich etwas tun, das einem Spaß macht, unabhängig vom Studium. Ein Germanist kann Regisseur, eine Politikwissenschaftlerin Eventmanagerin und ein Religionswissenschaftler Kinderbuchautor werden.

Bei manchen klappt es eben trotzdem nicht. Gibt es Erfolgstypen und Losertypen?

Der Erfolgstyp ist optimistisch, handlungsorientiert und kommunikativ. Der Losertyp ist grüblerisch, pessimistisch und andern gegenüber feindselig und besserwisserisch. Die gute Nachricht: Man kann sich vom Loser- zum Siegertyp entwickeln – und umgekehrt!

Sie werden in Ihren Beratungsangeboten und Berufsfindungsseminaren mit vielen sehr individuellen Biografien konfrontiert. Verstehen Sie sich dabei eher als begleitender Coach oder auch schon mal als jemand, der den Gordischen Knoten durchschlägt?

Das Wort Coach kann ja keiner mehr hören. Machen wir es ohne Karriereberaterjargon: Ich zeige meinen Teilnehmern, wie man herausfindet, welcher Beruf zu einem passt. Ansonsten bin ich Kummerkasten bei Misserfolgen inklusive anschließendem Tritt in den Hintern.

Welchen Rat, welche persönlichen Empfehlungen geben Sie den noch Studierenden, ...

Bevor Du den nächsten Schein machst, finde heraus, was Du beruflich machen willst. Vorher nicht mehr kopieren, keine Arbeitsgruppe mehr bilden und noch nicht mal ein Semesterticket lösen.

... den frisch gebackenen Absolventen ...

Mach nicht das, was sich gerade anbietet oder was unproblematisch scheint. Mach das, was Dir Spaß macht. Such Dir einen Beruf, für den Du freiwillig früh morgens aufstehen würdest.

... und älteren Bewerbern?

Lass Dir von niemandem erzählen, Du wärest zu alt für einen Wechsel. Es gibt nur wenige Berufe, für die man unbedingt jung sein muss, zum Beispiel Primaballerina oder Tennisprofi. Sommelier, Heilpraktikerin oder Imageberater kann man dagegen auch mit 40 noch werden. Viel wichtiger als Alter ist Selbstvertrauen.

Tatsächlich plagt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Jahren der Beschäftigung der Wunsch nach Veränderung. Aber da wird viel geträumt und selten die Initiative ergriffen. Muss Arbeit erst richtig weh tun, damit etwas passiert?

Man muss nicht immer warten, bis man Magengeschwüre hat oder eine Depression. Denn dann wird es erst recht schwierig, einen neuen Job zu finden. Schließlich braucht man eine gute Ausstrahlung, um neue Arbeit- oder Auftraggeber zu überzeugen.

Sie propagieren auch bei älteren Arbeitnehmern den Neustart nach vielen Berufsjahren. Schrecken Sie nicht manchmal vor der Verantwortung zurück, wenn Leute aufgrund Ihres Rates kündigen und sich z.B. auf das Glatteis der Selbstständigkeit begeben?

Ich schrecke eher davor zurück, Leute in einem Beruf zu lassen, der sie krank macht. Wenn man erstmal mit Magengeschwüren im Krankenhaus liegt, dann nutzt der schönste Dienstwagen und das vierzehnte Monatsgehalt überhaupt nichts mehr.

Reicht es immer aus, Mut, Fantasie und einen guten Plan zu haben, damit der späte Umstieg klappt?

Mut, Fantasie und ein guter Plan sind schon mehr als die meisten Geisteswissenschaftler haben. Wer Mut, Fantasie und einen guten Plan hat, lässt locker 19 von 20 Mitbewerbern hinter sich.

Haben Sie selbst Ihren Traumjob gefunden oder kommen da manchmal auch noch Zweifel?

Ich habe jeden Tag mit Leuten zu tun, die frustriert sind. Wenn ich selbst frustriert wäre, würde das nicht so gut rüberkommen.

Ihre Botschaft zum Schluss?

Lass Dich nicht bequatschen und schieß Deine Ja-Aber-Freunde (meinetwegen auch Deine Ja-Aber-Freundinnen) zum Mond.