Suppenküche statt Software: Die zweite Karriere

Suppenküche statt Software: Die zweite Karriere

aus: FOCUS, Februar 2003

Die Berliner Berufsberaterin Uta Glaubitz beschreibt, wie sie frustrierte Angestellte auf dem Weg zum Traumberuf unterstützen kann.

FOCUS: Woran erkennen Gestresste, dass sie reif für den Wechsel sind?

Glaubitz: Meist spüren die Leute einen erheblichen Leidensdruck, haben einen kranken Magen oder Depressionen. Manchmal kriselt bereits die Ehe, weil einer der beiden wegen seines Jobs ständig schlecht gelaunt ist. Wer unzufrieden ist mit seinem Beruf, muss sich fragen: Ist es wirklich die Tätigkeit selbst, die mich unzufrieden macht ­ oder das Umfeld, wie etwa ein ekliger Chef.

FOCUS: Warum landen überhaupt so viele Menschen in einem Job, der nicht zu ihnen passt?

Glaubitz: Wenn Jugendliche einen Beruf wählen, fällen sie meist keine bewusste Entscheidung. Da arbeiten zum Beispiel die Eltern als Ärzte, und die Tochter soll die Praxis übernehmen. Oder der Sohn studiert Informatik, weil da gerade die Chancen gut sein sollen. Mit 20 kapieren die Leute nicht, dass diese Entscheidung ihr ganzes Leben beeinflusst.

FOCUS: Wie finden Sie heraus, von welchem Beruf Ihre Kunden eigentlich träumen?

Glaubitz: Ich spreche mit meinen Klienten über ihr Leben. Wann sie sich total motiviert fühlten, freiwillig früh aufgestanden sind. Es geht um die Frage: Wo fließen die Energien? Allmählich kristallisiert sich dann ein Thema heraus. Ich hatte zum Beispiel eine Unter­nehmensberaterin in meiner Praxis, die Software in der Süßwarenindustrie einführte – sehr erfolgreich übrigens. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie sich für Technik eigentlich überhaupt nicht interessierte. Die leidenschaftliche Hobbyköchin fühlte sich vielmehr als Genusstyp und wollte überdies selbstständig arbeiten. Schließlich hat sie eine Suppenküche eröffnet.

FOCUS: Wie geht es weiter, nachdem Ihre Klienten ihren Traumberuf erkannt haben?

Glaubitz: In der Beratung geht es vor allem darum, Entscheidungen zu treffen. Wir definieren dann gemeinsam die nächsten Schritte. Was muss ich unternehmen, wenn ich zum Beispiel in fünf Jahren Kinderbuchautorin werden will? Am Anfang steht dabei immer die Recherche. Also den Buchhandel durchstöbern, Buchhändler nach guten Verlagen fragen, sich deren Programme vornehmen und sich fragen, was in diese Reihe passen könnte. Und dann heißt es Kontakte knüpfen, Gesprächspartner überzeugen, einfach einen Fuß in die Tür bekommen.

FOCUS: Wie viele Ihrer Klienten wechseln tatsächlich ihren Beruf?

Glaubitz: Ein Viertel ändert in relativ kurzer Zeit sehr viel und steigt tatsächlich in einen neuen Beruf um. Diese Methode ist am einfachsten, weil man nicht lange grübeln kann. 50 Prozent versuchen, sich sehr langsam an einen neuen Beruf heranzutasten. Und ein Viertel unternimmt gar nichts.

FOCUS: Woran liegt es, wenn der Wechsel scheitert?

Glaubitz: Den meisten fehlte ein Umfeld, das sie unterstützt. Kommentare von Freunden und der Familie wie „Das kannst du nicht, davon kann man nicht leben, dafür bist du zu alt" bremsen jede Initiative.