Tankwart, Priester oder Kapitän? Die Findungsberaterin

Tankwart, Priester oder Kapitän?
Die Findungsberaterin

aus: WAZ, 8. März 2003

Wer selbst nicht mehr weiß, was er will, dem hilft Uta Glaubitz. Die 36-Jährige ist freie Berufsfindungsberaterin in Berlin und beantwortet ihren Klienten die Frage: Welcher Beruf passt zu mir?

WAZ: Bei welchen Anzeichen sollte man dringend eine Berufsfinderin aufsuchen?

Glaubitz. Wenn man montags bereits sehnsüchtig ans nächste Wochenende denkt, wenn man im Urlaub ist und Horror vor der Rückkehr ins Büro hat. Oder wenn der Körper Alarmsignale sendet, wie Schlafstörungen oder Migräne.

WAZ: Welche Menschen nehmen Ihre Hilfe in Anspruch?

Glaubitz. Zum Beispiel Banker oder Beamte. Denen wurde von den Eltern eingetrichtert, dass ein sicherer Job der beste Job ist. Irgendwann merken die, dass sie unglücklich sind, weil ihnen ihr Beruf überhaupt keinen Spaß macht. Oder es kommen Geisteswissenschaftler, die nicht wissen, was sie mit ihrem Studienabschluss machen sollen.

WAZ: Wie sieht denn Ihre Beratung aus?

Glaubitz. Ein Seminar dauert zehn bis zwölf Stunden. Maximal vier Leute können teilnehmen. Ich lasse mir erzählen, was der Einzelne kann und was er will. Gemeinsam suchen wir anhand der Erzählungen und der Biografie nach Hinweisschildern, die jeden Einzelnen schließlich zu Berufen lenken, die zu ihm passen.

WAZ: Und das klappt?

Glaubitz. Ich lasse die Leute erst gehen, wenn wir vier Pläne haben, die die Kursteilnehmer gut finden und die ich gut finde. Natürlich ist das nicht immer leicht – viele trauen sich zunächst nicht, ihre Wünsche auszusprechen – aus Angst vor den Reaktionen der Eltern, des Ehepartners, der Kinder oder der Freunde. Deshalb muss ich in der Gruppe erst eine Atmosphäre schaffen, die Mut macht.

WAZ: Ihr kuriosester Fall?

Glaubitz. Eine Kundin, die schon als 14-Jährige davon träumte, Kapitän zu werden. Auf Wunsch der Eltern wurde sie Krankenschwester. Nach meinem Seminar sattelte mit 35 Jahren um, studierte Nautik und fährt heute Frachtschiffe.

Das Gespräch führte Melanie Hanstein.