Von der Weiterbildungsreferentin zur Bibliothekarin

Von der Weiterbildungsreferentin zur Bibliothekarin: Katrin aus Hildesheim

Als Katrin ihre Berufsberaterin kennenlernt, hat sie BWL studiert und ist 32 Jahre alt. Von Beruf ist sie kleines Rädchen, genannt Weiterbildungsreferentin, in einem internationalen Elektrokonzern. Der Job ist langweilig und keine Herausforderung. Und sie weiß: Mit ein paar kosmetischen Job-Korrekturen ist es nicht getan. Ein neuer Beruf soll her. Doch ihre Kollegen sind überzeugt: Egal, ob der Beruf Spaß macht oder nicht - man kann einen unbefristeten Vertrag (noch dazu in so einem weltberühmten Unternehmen) nicht kündigen.

Kann man doch, denkt Katrin und kommt ins Berufsfindungsseminar. Sie hat als Kind viel Zeit in der Stadtbibliothek verbracht und auch als Studentin gern in der Universitätsbibliothek gelernt. Könnte das hinweisen auf einen Job, der zu ihr passt? Sie liebäugelt mit dem Berufswunsch Bibliothekarin. Und nach dem Seminar mit vielen Überlegungen, Verzweigungen, Umwegen, weiteren Überlegungen, Job-Alternativen, Abwägungen steht fest: Bibliothekarin soll es sein. Das ist Kathrins Entscheidung für ihren neuen Beruf.

Im Sommer war das Seminar. Im Herbst beginnt das Informationsmanagement-Studium an der Fachhochschule Hannover. Im fünften Semester bekommt die Berufswechslerin ein Stipendium, weil sie zu den Jahrgangsbesten gehört. Nicht ganz ungewöhnlich für Leute, die sich mitten im Leben für einen neuen Berufsweg entscheiden. Oft sind Berufswechsler besser im Selbstmanagment, fleißiger, motivierter. Und sie wollen oft keine Zeit verlieren.

Ihr erstes Praxissemester im neuen Job absolviert Katrin in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Besonders der Umgang mit alten Büchern macht ihr Spaß. Daher geht es zum zweiten Praxissemester an die Herzog August Bibliothek nach Wolfenbüttel. Ihr Studium mit Schwerpunkt auf wissenschaftliche Bibliotheken schließt Katrin mit 1,1 ab. Ebenfalls eine typische Note für Berufswechsler.

Die Herzog August Bibliothek schreibt eine Stelle aus. Die Hochschulschriften mit Druckort Helmstedt (wo bis 1810 eine Universität war) sollen digitalisiert werden. Im Mai ist das Vorstellungsgespräch. Am 1. Juni beginnt Katrin ihre erste Stelle im neuen Beruf. „Es ist toll, mit Spaß und Freude zur Arbeit zu gehen. Das Gefühl kannte ich schon jahrelang nicht mehr. Auch wenn ich nach dem Aufhebungsvertrag echt Muffensausen hatte.“

Die Herzog August Bibliothek ist eine der ältesten unversehrt erhaltenen Bibliotheken der Welt und heute zentrale Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Zu den wertvollen Beständen gehört das Evangeliar Heinrich des Löwens – lange Zeit das teuerste Buch der Welt. Ein Berufswechsel mit Stil, wenn man so will.

Über 15 Jahre nach dem Berufswechsel veröffentlicht die Wolfenbütteler Zeitung zum 450jährigen Bestehen der historischen Bibliothek einen Bericht über die Berufswechslerin und ihren Traumberuf. Zum Lesen bitte hier klicken.

Die ganze Sache musste mal besprochen werden: Über 15 Jahre nach dem Berufsfindungsseminar in Hamburg treffen sich Katrin und ihre Berufsberaterin zu Pizza und Wein in Wolfenbüttel (siehe Foto). Die Berufswechslerin hat inzwischen noch einen berufsbegleitenden Master an der Humboldtuni in Berlin gemacht. Sie erzählt von einem ihrer Projekte: Die Privatbibliothek eines Professors in Helmstedt wurde 1778 versteigert. Viele Bibliotheken kauften Teile davon. In einem interaktive Online-Projekt wird der Verbleib der einzelnen Bücher erfahrbar gemacht. Über 1500 Lutherschriften verblieben damals in der Herzog August Bibliothek und werden dort fotografiert und digitalisiert.