Vom Vertrieb zum Designimport

Vom Vertrieb zum Designimport: Petra aus Maintal

Viele Leute, die zur Berufsfindung kommen, sind durchaus erfolgreich im Job. Sie haben ihre Karriere gemacht und wollen nicht wechseln, um mehr zu verdienen, sondern um mehr Spaß an der Arbeit und Erfüllung im Job zu haben. Und vielleicht etwas Sinnvolleres zu tun. Petra ist Mitte 30, hat Industriekauffrau gelernt und berufsbegleitend Marketing studiert. Sie arbeitet als Vertriebsbeauftragte Schweiz & Benelux für einen Chemiekonzern. Aber irgendetwas stimmt nicht. Ein Gefühl macht sich beim Arbeiten breit: „Das kann es doch nicht gewesen sein.“ Sie kommt zum Berufsfindungsseminar.

Petra ist bereits mit fünfeinhalb Jahren eingeschult worden, hat ihre Lehre von drei auf anderthalb Jahre verkürzt und dann 16 Jahre im selben Unternehmen gearbeitet - naturgemäß sehr erfolgreich.„Irgendwann rauschte das Leben so an mir vorbei. Ich musste mal eine Pause machen und mir neu überlegen, wer ich bin und wo ich eigentlich beruflich hin will.“

Petra interessiert sich für Kunst, Design, Inneneinrichtung und Schmuck. Im Seminar beschließt sie, Schmuckdesignerin zu werden. Etwa ein Jahr kaut sie auf dieser neuen Berufsidee herum. Dann gibt es eine Chance: Ihr Unternehmen bietet Abfindungen an für die, die freiwillig gehen. Petra meldet sich zum Erstaunen ihrer Chefs (und vielleicht auch zu ihrem eigenen Erstaunen) und wird freigestellt. Der alte Job ist weg, der neue allenfalls in Ansätzen sichtbar.

An ihrem 12. Hochzeitstag bricht sie mit ihrem Mann zu einem dreimonatigen Urlaub nach Südafrika und Namibia auf. Ihre Antennen stehen schon auf Schmuck und Design. Dort läuft ihr die Südafrikanerin Carrol Boyes über den Weg. Nicht persönlich, aber durch viel Design, das sie in Südafrika sieht: Geschirr, Besteck, Skulpturen, Vasen, Schmuck, Taschen, Leuchter.

Am letzten Tag ihres Urlaubs sitzt Petra mit ihrem Mann am Swimmingpool. Sie sprechen über Zukunft, Beruf und Spaß an der Arbeit. Beide haben den Katalog von Carrol Boyes in der Hand und kreuzen unabhängig voneinander an, was ihnen gefällt. Alles, was beiden gefällt, kaufen sie ein. „Wäre das ganze schief gegangen, hätten wir wenigstens ein paar schöne Stücke für unseren Haushalt gehabt“, so die Berufswechslerin im Rückblick.

Daheim angekommen bewirbt sich Petra als Agentin von Carrol Boyes in Deutschland – aufgrund ihrer langen Vertriebserfahrung kein Problem. „Allerdings hatte ich früher einen Dienstwagen, eine Sekretärin, einen Techniker für Computerprobleme und ein Spesenkonto. Dass ich auf einmal alles selbst bezahlen musste, förderte mein unternehmerisches Denken erheblich“, kommentiert Petra ihr neue Art zu arbeiten.

Von diesem Punkt an netzwerkt sich Petra durchs das Rhein-Main Gebiet. Sie verkauft Carrol Boyes Design an Inneneinrichter, Galerien und Museumsshops. Sie stellt auf Messen in Deutschland aus und lernt durch weitere Südafrika-Reisen neue Künstler und Designer kennen. Ihr Sortiment umfasst bald etwa 15 Produzenten. Später kommen Designer aus Spanien und Brasilien hinzu. Inzwischen liefert sie an 300-400 Vertriebspunkte in Deutschland (und ein paar in Österreich und der Schweiz).

Was alles vereint, womit Berufswechslerin Petra handelt: Die Sachen sind handwerklich hochwertig, das Design ist jenseits des Mainstreams und es gibt interessante Geschichten im Hintergrund, zum Beispiel ein soziales Projekt in der Kalahariwüste, in dem Frauen lernen, aus Straußeneiern Schmuck herzustellen. Rückblickend sagt sie: „Ich habe genug fette Jahre gehabt. Heute engagiere ich mich für Leute, die aus Nichts etwas Tolles machen. In Afrika hat man oft eine Designerin, an der zehn andere Leute dranhängen. Wenn man der Arbeit gibt, dann kann man sich seine Sinnfrage abends vor dem Schlafengehen beantworten.

Auch ihre Kunden merken, dass Petra engagierter ist als andere. Sie hat einen sehr gut dotierten Festvertrag aufgegeben, um sich eigene berufliche Ziele zu stecken und alle Entscheidungen im Job selbst zu fällen. „Das ist ein riesiger Zuwachs an Lebensqualität.“

Natürlich ist Petras eigene Wohnung voll mit Design aus dem südlichen Afrika. Zweimal im Jahr beherbergt sie dort einen Workshop Individuelle Berufsfindung. Neben Diskussionen beruflicher Fragen und Schmieden beruflicher Plänen kann dort viel Design bestaunt werden.

Petra kann man im Internet besuchen unter www.artsinterior.de