Von der Fotolaborleiterin zur Weinvermarkterin

Von der Fotolaborleiterin zur Weinvermarkterin: Martina aus Nürtingen

Die meisten Leute, die zum Berufsfindungsseminar kommen, müssen ihren Beruf nicht wechseln. Sie wollen ihn wechseln. Sie wollen einen Beruf, der besser passt als der alte. Manche brauchen einen kleinen Tritt, um sich endlich ernsthaft um ihre berufliche Entwicklung zu kümmern. Martina hat Informatik studiert und leitet die Produktion eines Fotolabors in Bad Schwartau an der Ostsee. Weil immer mehr digital fotografiert wird, neigt der Job sich dem Ende zu. „Meine Chance, den beruflichen Absprung zu schaffen“, sagt sie heute.

Im Seminar "Der Job, der zu mir passt" erzählt Martina, dass sie gern Wein trinkt und auch schon Weinseminare besucht hat. Daraus, so wird’s im Berufsfindungsseminar beschlossen, soll jetzt der Beruf werden. Um den Berufswechsel anzugehen, bewirbt sich Martina bei einigen Weingütern um ein Praktikum und bekommt ein Vorstellungsgespräch in Baden. Der Geschäftsführer des Weinguts ist nicht sonderlich begeistert: Das neue berufliche Ziel sei zwar eine nette neue Idee, aber Martina hätte im Alter von 40 Jahren doch noch gar keine Berufserfahrung. Drei Tage später sagt sie den Praktikumsplatz trotzdem zu.

Das Traumjob-Praktikum dauert sechs Monate, in denen Martina bei der Ernte hilft, düngt und spritzt, Traktor fährt und Wein verkauft. „Das war genial, ich hatte so tolle Erlebnisse, es war zu hundert Prozent der richtige Schritt.“ Vor allem der Blick vom Berg über die Rheinebene rüber nach Frankreich hat es ihr angetan.

Danach hat der Geschäftsführer seine Meinung geändert. Am liebsten würde er sie gleich da behalten. Doch Martina hat andere Pläne. Sie geht an die Weinbau-Fachhochschule Geisenheim und studiert Internationales Wein-Marketing. Um die Kosten niedrig zu halten, zieht sie ins Studentenwohnheim.

Als einer ihrer Professoren mitbekommt, dass Martina Informatikerin ist, will er ihr seine Vorlesung überlassen. Sie sagt immerhin zu, das Informatik-Tutorium zu leiten. Außerdem wird sie zur Semestersprecherin gewählt. Ihre Klausur über die Biologie der Rebe schreibt Martina als Jahrgangsbeste mit 1,7 – obwohl ihr Schulunterricht Biologie über zwanzig Jahre her ist.

Nach dem Studium bietet man ihr eine Stelle an der Hochschule Geisenheim an. Sie übernimmt die Leitung der Service GmbH, die die Weinveranstaltungen und Sommeliérausbildungen der Hochschule organisiert. Anderthalb Jahre später wechselt sie in die Qualitätskontrolle eines Weinimporteurs bei Stuttgart.