Von der Controllerin zur Friedhofsgärtnerin: Rosi aus der Uckermark
Was macht man auf seinem Balkon? Rosi jedenfalls lässt in leeren Blumenkästen Gräser wachsen, die sich Vögel im Frühjahr zum Nestbau suchen. Sie hilft Bienen beim Überleben (Zuckerwasser), baut Vogelhäuschen, gärtnert kreativ und lässt neben Zier- und Nutzpflanzen auch ein paar Blumentöpfe für lokale Pflanzen "verwildern". Ihre Hobbys sind Kung Fu, Wandern und japanisches Trommeln.
Wie kann so jemand Controllerin werden? Nun, es kam so: Nach dem Abitur geht Rosi zuerst in die Banklehre, dann an die Fachhochschule zum Bachelor BWL, danach zum Master an eine Privatuni. Nach einigen Stationen in verschiedenen Branchen ist Rosi Controllerin bei einem hippen Taschenlabel aus Zürich mit Standort Berlin.
Und dann die ganzen Excelcharts und Meetings. Sie ist Ende 30 und weiß: So geht es auf keinen Fall weiter. Rosi kommt zur Berufsberatung und entschließt sich, ihren Beruf zu wechseln und Gärtnerin zu werden. Wie genau wir auf Friedhofsgärtnerin kamen, ist nicht mehr zu klären. Aber etwas anderes schon: Rosi liebt Pflanzen, möchte aber in der Stadt leben – und nicht auf dem Land.
Ein bisschen Rumfragen bringt sie zur Verwaltung der Berliner Friedhöfe Nord. Einige Wochen nach der Berufsberatung hat sie mit ihrem Arbeitgeber und der Friedhofsverwaltung eine Halb-Halb-Lösung ausgehandelt: Für 2 Monate wird sie übergangsweise beide Berufe nebeneinander machen, den der Friedhofsgärtnerin zunächst als Quereinsteigerin. Zum Abschied schenken ihr die Kollegen der Taschenfirma einen Gutschein für Arbeitskleidung.
Wir mussten das ganze besprechen und haben uns auf Rosis neuer Arbeitsstelle getroffen und den Berliner Herbst auf dem Sophien-Friedhof und dem St.- Elisabeth-Friedhof genossen. Hier gärtnert Rosi, pflegt die Anlagen und die Gräber, hebt neue Gräber aus und begleitet Bestattungen.
Ein Friedhof ist nicht nur Gräber, Blumen, Bäume und Eichhörnchen, sondern auch Geschichte. Der Sophien-Friedhof wurde im 18. Jahrhundert angelegt, später musste ein neuer Friedhof her, der 1852 umgestaltet wurde. 1889 kam eine Kapelle dazu. Doch zum Mauerbau wurde ein Streifen abgeschnitten, weil er für die Berliner „Grenzanlagen“ zwischen Ost und West "gebraucht" wurde.
Der Sophien-Friedhof wird auch Musikerfriedhof genannt. Hier finden sich die Gräber der Klavierbauern Bechstein, eines Enkels von Johann Sebastian Bach, des Operettenkomponisten Walter Kollo, aber auch des Möbelfabrikanten Rudolf Höffner und des Likörfabrikanten Carl Mampe. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV stiftete 1851 ein neugotisches Wegkreuz für den St- Elisabeth-Friedhof. Dort gibt es außerdem eine kleine Bienenzucht. "Auch trotz des Wetters im Winter bin ich sehr happy und zufrieden mit der Arbeit. Ich sehe nur noch Pflanzen, wenn ich draußen bin und will aaaalllles über sie wissen. Ich bin wie ein Schwamm", so Rosi nach den ersten Monaten auf dem Friedhof.
Und nun passiert etwas vollkommen Unvorhergesehens. Es ist aber noch nicht spruchreif. Stay tuned.