Wie weiter?

Wie weiter?

aus: brand eins, April 2010
Schwerpunkt Lebensplanung

Zurück auf Los: Wer sich beruflich neu erfinden will, braucht Kraft, Nerven – und gute Ratgeber.

(...) Von manchen Berufsideen hält Uta Glaubitz nicht viel: "Es gibt labile Leute, die gern mit drogensüchtigen Jugendlichen arbeiten wollen", sagt sie. Denen rate sie, lieber monatlich zehn Euro an eine soziale Einrichtung zu spenden. Es kämen Menschen in ihre Seminare, die sich einen radikalen Berufswechsel viel zu einfach vorstellten. Denen rate sie ab.

Andere würden glauben, dass die Zeit der Quälerei vorbei sei, sobald sie wüssten, was sie werden wollten. "Dann fängt die Depression erst richtig an", sagt die Berarerin, die um keinen lockeren Spruch verlegen ist. Es kämen die Selbstzweifel und das, was Glaubitz "die Umweltquatscherei" nennt. Freunde und Familienangehörige, die schon mit Häme und Skepsis darauf warteten, wie das Ergebnis des Coachings ausgefallen sei. "Bist du wahnsinnig?" sei ein beliebter Kommentar, etwa von Schwiegereltern, die um den Status ihres erfolgreichen Schwiegersohns bangen. Viele Mütter ließen sich einreden, ihr Veränderungswunsch sei egoistisch, weil er auf Kosten der Kinder gehe. Deshalb rät Glaubitz ihren Kunden, ihr neues Berufsziel erst mal für sich zu behalten. Sie bespricht sogar mit ihnen, wer der größte Bremser in ihrem Umfeld sein könnte.

Vorsicht vor gut gemeinten Ratschlägen von den lieben Partnern,
Freunden und Verwandten

"Ein erwachtes Selbstbewusstsein halten manche Beziehungen nicht aus", sagt Dagmar Stratenschulte. Ihre Ehe ging kaputt, kurz nachdem sich die Buchhalterin mit 45 entschieden hatte, Fotografin zu werden. In der Berufsschule waren die meisten Lehrer jünger als sie. Bei der Verleihung der Gesellenbriefe brachten die Mitschüler ihre Eltem mit. Stratenschulte kam mit ihren beiden erwachsenen Töchtern. All das muss sie große Überwindung gekostet haben.

Praktische Hürden wie Zusatzausbildung, Studium oder Bewerbung seien dagegen selten problematisch, sagt Beraterin Glaubitz. Menschen, die sich mitten im Leben zum Wechsel entschieden hätten "eine ganz andere Power" als ihre Mitbewerber. Häufig bekommt die Berlinerin stolze E-Mails mit den guten Studiennoten ehemaliger Kunden.

Wenn Glaubitz von ihnen spricht, beginnen ihre Sätze oft mit "meine Heide" oder "meine Dagmar". Sie vergleicht sich mit einer Archtektin, die ihre Häuser betrachtet. Die habe auch nicht jeden Stein selbst gesetzt und habe doch einen großen Anteil an dem Ergebnis. Das mag man anmaßend finden. Dagmar Stratenschulte findet das nicht. "Ohne Uta Glaubitz hätte ich mir nach der Erziehungsauszeit wieder einen Bürojob gesucht."

Neulich hat die Fotografin ihre Tochter zu der Beraterin geschickt. Psychologin wollte sie werden, wie ihre Schwester: Dachte sie zumindest. Nach dem Coaching stand etwas anderes auf ihrem Wunschzettel: Medizinerin.