Entwickeln Sie Ihren Plan B

Entwickeln Sie Ihren Plan B

aus: FOCUS, 27. Juli 2009

Sparrunden und Pleiten können jede Stelle vernichten. Wirklich unentbehrlich sind nur wenige. Gegen aufkeimende Panik hilft, beizeiten an eine Jobalternative zu denken.

Heide Kuhlmann | 38

Eine Vogelfutterstation auf dem Balkon half der Journalistin, einen neuen Beruf zu finden.

Die erste betriebsbedingte Kündigung war ein Schock. "Ich dachte, mir könnte das nicht passieren", erinnert sich Heide Kuhlmann. Sie koordinierte als Chefin vom Dienst Sonderhefte für eine Computerzeitschrift, bis sie wegen eines Sparprogramms den Job verliert. Kurze Zeit später beginnt sie bei einem Automagazin. Doch die Krise holt sie ein: Auch diese Stelle wird gestrichen. "Um meinen Traumberuf zu erreichen, mobilisiere ich all meine Energien und finanziellen Reserven".

Kuhlmann reicht es: "Ich will unbedingt etwas anderes machen. Nur was? Ich habe mich nur um meinen Job gekümmert – keine Hobbys, nichts". bilanziert die Ex-Journalistin. Das Einzige, was sie mit Hingabe tut: Sie begrünt ihren großen Balkon und stellt eine professionelle Vogelfutter-station auf. Schon bald steht sie morgens eineinhalb Stunden früher auf, um Buntspechte vor ihrem Fenster zu beobachten. Sie könne doch Försterin werden, lautet ein Vorschlag in dem Berufsfindungsseminar, das Kuhlmann besucht. "Der verkauft doch nur Holz", denkt Kuhlmann spontan. Aber sie informiert sich und entdeckt ein breites Aufgabengebiet – von der Wildimpfung bis zum Waldbau. Sie erinnert sich, wie gem sie als Kind draußen war, und ruft Förster an, um sie über ihren Beruf auszufragen.

Dann organisiert sie sich ein Praktikum im Kölner Königsforst. Der Effekt: An der linken Hand hat sie eine große Blase, da sie mit einer Stangensäge einen Reitweg freischneiden musste. Die Blasen rechts stammen vom Hochsitzbauen und sind fast verheilt. Abends fühlt sie sich auf angenehme Art erschöpft. "Früher war ich nur platt und genervt."

Um einen Studienplatz hat sie sich bereits gekümmert. Sie will ihre neue Ausbildung mit einem 400 Euro-Job finanzieren – und mit der ersten Abfindung, die sie nie angerührt hat. "Ich bin richtig glücklich und mir sicher, dass ich das Richtige tue."

Zur ganzen Geschichte ..

Nadine Busche | 34

Mit Hartnäckigkeit gelingt ihr der Wechsel in die Welt des Buches.

Die Bremerin arbeitete in der väterlichen Telekommunikationsfirma, hegte aber eine andere Leidenschaft: Bücher. Sie träumt davon, für einen Verlag das Frühjahrs- und Herbstprogramm vorzustellen.

Busche knüpft erste Kontakte auf der Frankfurter Buchmesse, jobbt in einer Buchhandlung und schreibt eifrig Bewerbungen. Ihr Einsatz zahlt sich aus. Sie schafft den Einstieg bei einem britischen Verlag – und wird später von einem großen Konkurrenten abgeworben.

Zur ganzen Geschichte ..

Christian Mehler | 31

Ein Programmierer, der andere retten will – und damit auch sich selbst.

In einem Software-Untemehmen lässt sich Mehler zum Fachinformatiker qualifizieren. Eigentlich eine Ausbildung mit Zukunft – aber nicht für ihn. Nach weiteren zwei Jahren im EDV-Bereich einer Verlagsgruppe bucht er ein Seminar bei der Berliner Berufsberaterin Uta Glaubitz.

Er findet heraus, welcher Job ihn wirklich reizt: Rettunsassistent – vor allem in der Luftrettung. Er beendet sein EDV-Dasein und beginnt eine dreijährige Ausbildung beim Deutschen Roten Kreuz in Mainz.

Zur ganzen Geschichte ..

Markus Büchner | 31

Der Münchner Betriebswirt kündigte seinen Job, um Gärtner zu werden.

Nach der Uni landet er als Kundenberater in einem Spracheninstitut. Der Druck ist groß, die Perspektiven sind trüb. Er sucht lange nach einer Alternative, bis er ein Berufsfindungsseminar besucht.

Dort entdeckt er seine vergessene Liebe zum Gartenbau wieder. Die Kombination aus Handwerk und Gestaltung gefällt ihm. "Endlich bin ich auf dem richtigen Weg." Das motiviert enorm. Im Rekordtempo findet er einen passenden Studienplatz und eine Lehrstelle für die praktische Ausbildung.

Zur ganzen Geschichte ..

Dagmar Stratenschulte | 54

Die gelernte Buchhalterin ließ sich nach der Kinderpause zur Fotografin ausbilden.

Es war der Wunsch der Mutter, dass die Tochter als Buchhalterin arbeitet. Als zwei Kinder auf die Welt kommen, widmet sich die Berlinerin in erster Linie ihrer Familie. Es beschleicht sie das Gefühl, dass "sich alle weiterentwickeln – außer mir."

Sie bewirbt sich bei einem Fotografen, da ihr Herz an der Fotografie hängt – und wird genommen. 2003 schließt sie ihre Ausbildung ab und arbeitet heute selbständig. Den Berufswechsel hat sie nie bereut: "Jetzt kann ich meine Kreativität ausleben."

Zur ganzen Geschichte ..

Milla Stroh | 34

Die Vertriebscontrollerin bei der Allianz wechselt in die Modebranche.

Geboren im sibirischen Irkutsk, kommt sie nach dem Abitur nach Deutschland und studiert hier Internationales Marketing. Fünf Jahre lang verdient sie ihr Geld beim Versicherungskonzern Allianz (Vertriebs-Controlling).

Russische Sprachkenntnisse helfen ihr, als sie auf der Modemesse Collection Premiere Moscow mit einem deutschen Textilunternehmer in Kontakt kommt. Heute betreut sie osteuropäische Kunden dreier Modelabels.

Zur ganzen Geschichte ..

Petra Reimann | 46

Die Psychologin arbeitet heute als Web-Designerin.

Sie layoutet schon ihre Diplomarbeit mit Begeisterung. Doch ihr Geld verdient sie als Coach. Es dauert lange, bis sie es wagt, ganz auf ihr Designtalent zu setzen.

Sie besucht Kurse, lernt programmieren und startet mit kleinen Aufträgen, die zunächst kaum Gewinn bringen. "Die finanzielle Durststrecke habe ich mit Ersparnissen überbrückt." Es gelingt ihr bald, ein eigenes Profil zu entwickeln: Sie gestaltet nicht nur Websites, sondern kann Kunden auch zur Psychologie des Internets beraten.

Oliver Birükof | 27

Eigentlich wollte er Medizin studieren. Heute ist er Outdoor-Trainer.

Nach einer dreiwöchigen Trekkingtour durch Skandinavien reift die Idee, Bergführer zu werden. Das dafür notwendige sportliche Leistungsniveau schreckt ihn jedoch ab. Birükof fängt bescheidender an – mit einem Praktikum beim Outdoor-Trainer.

Kletter-, Bachbett- und Bergtouren zeigen Birükof: "Die Idee stimmt, und da geht noch mehr." Er studiert Erziehungswissenschaften (Schwerpunkt Erwachsenenbildung), macht Trainerscheine für Kanu und Hochseilgarten – und bietet Touren an.

Zur ganzen Geschichte ..

Maike Brunk | 37

Die Wirtschaftsinformatikerin bietet Barkassentouren auf der Elbe an.

Nach neun Jahren Software-Branche kommt Brunk bei einer Weihnachtsfeier ihrer Firma – einer Hafenrundfahrt – die Idee, wie sie dem ungeliebten Beruf entgehen kann. Eine Alternative zur herkömmlichen Hafenrundfahrt in Hamburg muss her!

Ihre Kunden besichtigen nicht nur die Landungsbrücken, sondern auch die Elbinsel Wilhelmsburg. Das Fernstudium der Tourismus-Betriebswirtschaft hat sich gelohnt: "Ich organisiere meinen Tag selbständig und bin an der frischen Luft."

Zur ganzen Geschichte ..

Oliver Jäkel | 38

Der Politologe war in der persönlichen Jobkrise so konsequent wie wenige.

Der Berliner verantwortete die EDV bei einer Speditionsfirma. Trotz des guten Gehalts steckte Jäkel in einer Jobkrise. Die Arbeit machte immer weniger Spaß. So wenig, dass er schließlich tat, was seine Freunde für verrückt hielten: Er kündigte.

Jäkel macht sich als EDV-Trainer selbständig und hilft zunächst Senioren. Dann besucht er einen EDV-Kurs – und heuert beim Veranstalter an. "Wenn man sich erstmal aufrafft", meint Jäkel, "schafft man, was im Frust unmöglich scheint."

Zur ganzen Geschichte ..