Von der Online-Werberin zur Gerichtsmedizinerin: Sandra aus Hamburg
Sandra hat einen soliden und vernünftigen Job: Sie arbeitet als technische Leiterin in der Online-Werbung eines Verlags. Sie langweilt sich und fragt sich, welcher Beruf mehr Spaß bringen könnte. Und vielleicht auch eine intellektuelle Herausforderung, an der man (beruflich) wachsen kann. Irgendwann wird sie Schöffin in einem Mordprozess. Ein reines Ehrenamt – noch lange kein neuer Job. Aber es passiert etwas: Vor Gericht tritt eine Gerichtsmedizinerin auf. Das erinnert Sandra an einen alten Berufswunsch: „Ich wäre bald geplatzt vor Neid. Ich dachte nur: Diese Frau hat meinen Job!“
Aber mit 35 Jahren den Beruf wechseln und noch Medizin studieren? Sandra kommt ins Berufsfindungsseminar, um herauszufinden, ob sie vielleicht verrückt geworden ist. Im Seminar „Der Job, der zu mir passt“ findet das niemand und so kündigt Sandra ihre Stelle. Obwohl der Studienberater und ihre Mutter strikt gegen den neuen Berufswunsch sind: Sandra könne viel zu wenig Chemie, zu wenig Physik, zu wenig Biologie und überhaupt. Trotzdem schreibt sich die Berufsfinderin wenige Monate nach dem Berufsfindungskurs an der Universität Hamburg für Medizin ein.
Sandra nimmt sich vor, am ersten Studientag mindestens einen Kommilitonen zu finden, der älter ist als sie. Es gelingt: Ein Mitstudent ist bereits über 40 und betreibt neben dem Medizinstudium eine Baufirma in Süddeutschland. Dreieinhalb Jahre nach dem Berufsfindungsseminar macht Sandra ihr Physikum.
Zur Finanzierung ihres neuen Berufswunschs arbeitet sie halbtags bei ihrem alten Arbeitgeber. Wie es ihr geht mit der Belastung aus Medizinstudium und Job? „Ich bin total happy und höre gar nicht mehr hin, wenn andere jammern.“ Selbst ihre Mutter findet das mit dem Studium und dem Berufswechsel inzwischen gut.
Fünf Jahre nach dem Berufsfindungsseminar fragt die Berufsberaterin nach. Die Antwort kommt per Mail:
So ganz langsam ist ein – zumindest, was die Theorie anbelangt – Ende in Sicht. Im kommenden Jahr starte ich in das Praktische Jahr. Das Schönste aber ist: Ich mache momentan mein Pflicht-Wahltertial in der Rechtsmedizin. Ich bin jetzt seit fünf Wochen dort und bleibe noch bis Mitte August. Ich bin jeden Tag in der Rechtsmedizin, mache alles mit, was so anfällt und denke jeden Tag:“Nun bin ich da, wo ich immer hinwollte!“ Na ja, es folgt noch das Praktische Jahr und ein 2. Staatsexamen, dauert also alles immer noch ein wenig. Doktorarbeit ist auch in Arbeit (ebenfalls in der Rechtsmedizin)… Und ich sage immer noch, dass es das einzig Richtige war, was ich tun konnte. Ich könnte oft einfach nur im Kreis grinsen.
Dem hat die Berufsberaterin nichts hinzuzufügen.
Außer vielleicht, dass Sandra inzwischen alles geschafft hat und in ihrem Traumjob als Gerichtsmedizinerin in der Rechtsmedizin Hamburg arbeitet.