Wo geht es hier zum Traumjob? Ausprobiert: Berufsfindungsseminar

Wo geht es hier zum
Traumjob?
Ausprobiert: Berufsfindungsseminar

aus: emotion, Mai 2008

Am Anfang saß ich natürlich schon reichlich skeptisch im "Individuellen Berufsfindungsseminar" von Uta Glaubitz. Denn eigentlich will ich ja Journalistin werden, habe schon Praktika gemacht und hoffe, dass ich in diesem Beruf Fuß fassen kann. Ich hoffe. Sicher ist noch nichts. Und irgendwie bin ich mir selbst auch noch nicht ganz sicher. Manchmal fühle ich mich gehemmt, kann schlecht einschätzen, ob meine Texte gut, sehr gut oder doch nur durchschnittlich sind. Außerdem: Wie wichtig ist mir das Schreiben überhaupt? In welchem Themenbereich soll ich mich spezialisieren? Ist meine Berufsentscheidung nicht zu früh und zu schnell gefallen?

Die anderen drei Frauen im Kurs arbeiten schon länger, verdienen gut, wollen aber unbedingt einen Neuanfang. "Überlegen Sie mal, wann Sie so richtig stolz auf sich waren", fordert uns Glaubitz auf. "Und denken Sie dabei nicht gleich an Ihre jetzige Arbeit." Während eine von uns redet, sollen wir anderen sie beurteilen und auf kleine, bunte Zettel notieren, welche Eigenschaften und Fähigkeiten sie unserer Meinung nach auszeichnen.

Ich bin bis heute stolz auf mein verpatztes Tanzsolo

"Früher habe ich viel getanzt", erzähle ich. "Modern Dance, Jazz, Ballett. Einmal führte ich ein Solo auf. Die ersten Minuten war ich voll konzentriert. Dann plötzlich: Blackout. Nach einem Moment der Panik fing ich an zu improvisieren. Am Ende hatte allein meine Tanzlehrerin etwas bemerkt." Ich muss grinsen, als ich mich daran erinnere. "Später, zur Studienzeit, verdiente ich mir mein Geld vor der Kamera mit kleinen Sprechrollen", erkläre ich.

Nach dieser Übung liegen lauter Zettel mit Kommentaren der anderen auf meinem Tisch. Ich fühle mich geschmeichelt. "Ausdrucksstark" steht da und "kämpferisch". Ich könne mich gut präsentieren und andere begeistern. "Warum hast du mit der Schauspielerei nicht weitergemacht?", fragt Uta Glaubitz. "Das war alles nur Spaß", wiegle ich ab. Und nach einer Pause: "Ich habe es nicht wirklich ernstgenommen. Zudem hätten mich meine Eltern nie dabei unterstützt, zum Film zu gehen. Sie sind froh, dass ich wie meine Schwester als Journalistin arbeite."

Eine andere Teilnehmerin meldet sich: Sie wollte Theaterwissenschaft studieren. Doch die Abiturnote reichte nicht für den Numerus clausus, so entschied sie sich auf Anraten der Eltern für Betriebswirtschaft. Aber sie hasste das Studium. Dann arbeitete sie bei einer Bank.

Der passende Beruf gibt auch Energie

"Das ist typisch", meint Glaubitz. "Wenn wir jung sind, lassen wir uns viel zu stark von unserem Umfeld beeinflussen. Viele entwickeln gar keinen eigenen Berufswunsch. Und dass wir uns in unserem Job nicht wohlfühlen, merken wir erst, wenn uns die Energie ausgeht. Der Beruf, der zu einem passt, ist deshalb einer, der nicht nur Energie kostet, sondern auch Energie gibt."

Habe ich mich ebenfalls zu sehr von meinen Eltern beeinflussen lassen? Manchmal gibt mir das Schreiben durchaus viel Kraft. Manchmal setzt es mich aber auch unter Druck. Der erste Seminartag neigt sich dem Ende zu. Mein Kopf schwirrt. Nie hätte ich gedacht, dass mich der Kurs so durcheinanderbringen bringen könnte. "Heute werden wir uns jeden einzeln vorknöpfen", begrüßt uns Uta Glaubitz am zweiten Tag. Ich spüre, dass ich in meine eigene Idee nicht sehr viel Vertrauen habe, aber von den anderen begeistert bin. Und das wirkt ansteckend. Plötzlich fällt immer öfter das Wort Schauspielerin. Bei der zweiten Teilnehmerin finden wir, sie solle Scout für Extremsportarten werden, die Dritte Managerin eines Hotels für Hund und Mensch, die Vierte Reiseleiterin.

Dann folgen praktische Tipps zu Übergangszeit, Weiterbildung und Neuorganisation des Alltags. "Rufen Sie an, wenn Sie Fragen haben", sagt Uta Glaubitz zum Abschied. "Das, was wir heute gemacht haben, war erst der Anfang." Tags darauf wähle ich die Nummer meiner Mutter: "Mama, ich werde Schauspielerin . . ." Am anderen Ende bleibt es still. Schnell habe ich ihr meinen Plan erklärt: das Praktikum fertig zu machen, als freie Journalistin weiterzuarbeiten und an einem Kurs für Schauspielerei teilzunehmen. "Wenn du das wirklich willst", sagt sie ganz ruhig, "werden wir dich natürlich unterstützen." Jetzt bin ich sprachlos.